Wo sich Fantasie und Versuchung auf einen Kaffee treffen

Tafelzier - die kaloriengewordene Sünde im Herzen Nürnbergs
Text: Axel Rabenstein Photos: Kathrin Koschitzki
Bei uns im Tafelzier geben wir uns der Versuchung hin, auf der anderen Straßenseite erheben sich das Deutsche Zukunftsmuseum und das quirlige Karl August, dahinter spiegelt sich die Sonne in der gemächlich dahintreibenden Pegnitz. Diese Nachbarschaft ist wirklich besonders.
Jens Brockerhof - Gastronom & Genusshandwerker, Tafelzier Patisserie
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„Tafelzier“ – so heißt die kaloriengewordene Sünde im Herzen Nürnbergs. Die Patisserie von Jens Brockerhof feiert mit fantasievollen Kreationen die Kapitulation vor der süßen Versuchung. Es ist die Erfüllung eines Jugendtraums, für den der Genusshandwerker und Spitzengastronom hier in der Nachbarschaft den perfekten Ort gefunden hat.

Können Augen mit der Zunge schnalzen? Beim Besuch im Tafelzier an der Weintraubengasse hat man ebendiesen Eindruck. Die süßen Kreationen glänzen im Licht der Auslage. Es ist ein Ort der Verführung. Ein Ort, an dem die Zurückhaltung einfach mal draußen bleibt.

Das volle Programm Kalorien

„Wir sind nicht healthy“, stellt Genusshandwerker und Tafelzier-Macher Jens Brockerhof auch sofort klar: „Tafelzier ist eine klassische Patisserie. Wir arbeiten mit Butter, Zucker, Eiern und bieten unseren Kunden das volle Programm Kalorien.“

Tischdeko im 17. Jahrhundert

Die namengebende „Tafelzier“ hat ihren Ursprung im 17. Jahrhundert. Damals gab es noch kein Porzellan, deshalb fertigten Konditoren aufwändige Tischdekorationen aus pflanzlichem Harz (Tragant). Die Kreationen waren gern gesehener Höhepunkt barocker Schau- und Festessen.

In einer Praline stecken drei Tage Handarbeit

Im 21. Jahrhundert steht „Tafelzier“ erneut für die Handwerkskunst des Zuckerbäckers. „In jeder dieser Pralinen stecken pure Sinnlichkeit und drei Tage Handarbeit.“ So aufwändig wie damals; mit dem feinen Unterschied, dass die Zierde jetzt auch wirklich zum Vernaschen gedacht ist.

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Macarons, Eclair und noch viel mehr

Ein Besuch im Tafelzier ist eine Sightseeing-Tour durch die Wunderwerke der französischen Backkunst. Luftig-bunte Macarons, verzierte Éclair und Choux mit raffinierten Cremefüllungen, Törtchen, Confiture, Tartes, Croissants, Sablés, Pâte de fruit … oh, là, là!

Jede Füllung besitzt ihre eigene Geschichte

Erschaffen, um glücklich zu machen. „Wir lieben die Raffinesse und Verspieltheit, die Perfektion und den Humor der französischen Patisserie“, sagt Jens Brockerhof. „Jedes noch so kleine Detail, jede Creme, jede Füllung besitzt ihre eigene Geschichte und ist aufwändig zubereitet.“

Verrückt nach Schokolade

All dies begann übrigens in Paris. Hier weilte Jens Brockerhof anlässlich eines Austausches als Kochlehrling. In einer seiner Mittagspausen betritt der junge Mann die Patisserie von Pierre Hermé, den man als so etwas wie einen Zuckergott bezeichnen mag.

Pierre Hermé – die große Inspiration

Der Franzose modernisierte die Grundlagen der Patisserie, konzentrierte sich auf Intensität und Textur des Geschmacks, reduzierte die Dekoration und verfeinerte traditionelle Rezepte durch noch bessere Zutaten. „Pierre Hermé war für mich Inspiration und Motivation, diesen wundervollen Beruf zu erlernen und eine eigene Patisserie-Boutique in meiner Heimat zu eröffnen“, sagt Jens Brockerhof.

Törtchen auf der Parkbank

Hier kauft er ein. Auf der nächstbesten Parkbank verzehrt er Törtchen um Törtchen. Und fasst den Entschluss, nicht nur Koch – sondern zudem Patissier zu werden, was er direkt in die Tat umsetzt. Auf die Ausbildung zum Koch folgt die zum Konditor, mit anschließendem Meistertitel.

Immer schön hungrig bleiben

Die Manufaktur für Süßigkeiten El Paradiso wird gegründet und zum Cateringunternehmen ausgebaut. 2015 folgt das Restaurant Sosein mit Küchenchef Felix Schneider, das heute mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. Trotz des großen Erfolges: Brockerhof bleibt hungrig. Und erfüllt sich schließlich seinen Jugendtraum.

Patisserie an der perfekten Ecke

Im Jahr 2017 wird die Patisserie-Boutique Tafelzier eröffnet. „Wir haben lange nach dem richtigen Ort gesucht“, sagt Jens Brockerhof, „und plötzlich war dieses Ladenlokal an der Weintraubengasse frei. Mitten in der Stadt, gut sichtbar an der Ecke – einfach perfekt!“

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Cremig-zartschmelzend-knusprig

Hier treffen wir ihn auf einen Espresso und ein „Plaisirs sucrés“. Auf den ersten Blick ein süßes Schnittchen. Auf die erste Kuchengabel durch alle Schichten – wie auf dem Kärtchen in der Auslage beschrieben – genießt man es als „Vollmilchschokolade in verschiedenen Texturen, cremig-zartschmelzend-knusprig“.

Tüte voller Köstlichkeiten

Ein Pärchen aus der Nachbarschaft flaniert in den Laden, kommt mit einer gut gefüllten Tüte voller Köstlichkeiten wieder hinaus. „Habt ihr ein Plaisirs sucrés dabei?“, erkundigt sich Jens Brockerhof. „Natürlich“, entgegnen die Stammkunden, „und nicht nur das …“

Ein Produkt ist so gut wie seine Zutaten

Der Patissier zeigt sich zufrieden. Schließlich ist es das, was er erreichen möchte: beseelte Kunden, voller Vorfreude auf den nächsten köstlichen Moment. Bei aller Liebe zum Detail sei dabei vor allem eines zu beachten, sagt er: „Ein Produkt ist immer nur so gut wie seine Zutaten.“

Milch und Obst aus der Region

Hier zeigt sich einmal mehr, dass man für das Gute nicht immer in die Ferne schweifen muss: Schafs- und Ziegenmilch kommen aus Thalmässing. Die Haselnüsse aus Cadolzburg. Das Obst aus dem Knoblauchland. Man muss nicht immer in die Ferne schweifen.

Einbeziehen der Nachbarschaft

Es gehe darum, das Besondere einer Region und der Nachbarschaft miteinzubeziehen. Zum Abschluss sei hierfür ein erfrischendes Beispiel aus Heroldsberg angeführt, wo Jens Brockerhof mit seinem Restaurant Sosein im Jahr 2020 den zweiten Michelin-Stern erhalten hat.

Signalkrebse in der Gründlach

Hier, im Flüsschen Gründlach, hat sich aus Schweden kommend der Signalkrebs angesiedelt. Leider gilt das eingewanderte Krustentier als ziemlich aggressiver Geselle, der den heimischen Arten gehörig auf die Nerven fällt und ihnen das Territorium streitig macht.

Ein intensives Gaumenerlebnis

Das Team des Sosein erwies sich als guter Nachbar, nahm die von Naturschützern gefangenen Signalkrebse ab, fertigte aus Köpfen und Scheren eine Essenz und kredenzte dazu essbare Blüten aus der Nähe des Baches. „Ein intensives Gaumenerlebnis“, freut sich der Feinschmecker, „frisch aus der Region – und ohne dafür ein einziges Krustentier importieren zu müssen.“