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Portrait Aufnahme von Bernhard Prinz in der Lobby des Karl August

Zwischen Richtfest und Ruine

Interview mit dem Künstler Bernhard Prinz
Text: Andreas Obermann Photos: Andreas Obermann
Auf den ersten Blick sehen meine Arbeiten wie Dokumentarfotografie aus. Sie sind aber genau das Gegenteil.
Bernhard Prinz
Portrait Bernhard Prinz

In der Lobby des KARL AUGUST hängt eine Auswahl Ihrer aktuellen Werkserie „Architekturen – Mahnmale – Orte“. Auf den ersten Blick sehen die Werke wie Dokumentarfotografie aus.

Sie sind aber genau das Gegenteil. In der Dokumentarfotografie geht es immer um einen Raum-Zeit-Zyklus, den versuche ich zu eliminieren. Ich fotografiere zwar genau das, was man sieht, aber versuche durch Bildausschnitt, Belichtung oder Farbverschiebung eine Transformation herbeizuführen. Mir geht es vor allem darum, was das Bauwerk oder der Ort ausstrahlt, es geht mir eher um das Konservieren eines Eindrucks, eines Erlebens.

Warum zeigen viele Ihrer Werke kirchliche Motive?

So viele kirchlichen Motive hab ich doch gar nicht fotografiert. Dass hier ausgerechnet drei wandfüllende Bilder von Kirchendecken hängen, das hat sich durch den räumlichen Kontext ergeben. Vor drei Jahren hatte ich eine Ausstellung im Neuen Museum in Nürnberg, bei der ich die Arbeiten in Größe und Abfolge speziell für den Raum produziert bzw. angepasst habe. Hier im Karl August ist die Situation etwas anders. Der Raum wird als öffentlicher Platz wahrgenommen, er ist möbliert und die Lichtverhältnisse sind nicht zwangsweise auf die Werke ausgerichtet. Wie meine Arbeiten im White Cube zur Geltung kommen, weiß ich, seit ich ausstelle. In der möblierten Lobby allerdings ergeben sich interessante Überschneidungen. Die Teppiche beispielsweise haben eine bestimmte Struktur, deren Muster und Knüpfart hervorragend mit dem Deckenhimmel aus der St. Markus Kirche in Zillis harmonieren. Und auch der rohe Beton der Wände findet sich in einigen kubistisch anmutenden Architekturfotografien wieder. Das würde im herkömmlichen Ausstellungsraum nicht passieren. Die Wechselwirkung mit dem Interieur der Lobby finde ich extrem spannend.

Wie gehen Sie grundsätzlich bei der Motivauswahl vor?

Ich denke nie in Einzelfotos, sondern habe immer eine konkrete Konstellation oder Abfolge im Kopf. Die Lesbarkeit oder Deutung der einzelnen Motive wird auch immer durch die Werke in der Umgebung beeinflusst. Nicht unwesentlich dabei ist die Printgröße. Durch das oftmals monumentale Format meiner Arbeiten wird der Betrachter unmittelbar mit dem Bildraum konfrontiert, er schwankt zwischen realem Raum und vorgetäuschter Realität. In meiner temporären Ausstellung hier in der Lobby hab ich eine Mischung aus sehr großen und kleinen, wie Fußnoten anmutenden Arbeiten gewählt, die diesen alles einbeziehenden Erlebnisraum definieren.

Die Arbeiten im Restaurant Nitz sind Foto-Inszenierungen, im Studio arrangierte Stillleben aus quietschbunten Gegenständen, spielerisch und leicht und spielen auf Kulinarik und Genuss an.

 

Bekannt wurden Sie als Porträtfotograf. Warum haben Sie kein Portrait für das KARL AUGUST ausgewählt?

In der Lobby hat man sehr viel Durchgangspublikum, Menschen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft. Würde hier an zentraler Stelle ein großformatiges Porträt hängen, würde man sich immer zuerst fragen, in welcher Beziehung oder Funktion die abgebildete Person zum Hotel stehen würde und nicht, was die Intension des Künstlers gewesen wäre.

Ich konnte mir hier beim besten Willen kein Porträt vorstellen.

Im Frankfurter Restaurant CRESCO allerdings hängt im Gastraum eines meiner Porträtfotos, 2,40m x 2,40m groß. Ich hab es speziell für den Ort geschaffen und das Lokal definiert sich über das Porträt, klar und rein, nahezu unschuldig. Das passt sehr gut zu der minimalistischen Levante-Küche des Restaurants.

Ihre Werke sind immer noch auf analogem Fotopapier geprintet.

Ich habe sehr lange analog gearbeitet und war wahrscheinlich einer der Letzten, der auf die digitale Fotografie umgestiegen ist. In Deutschland gibt es nur noch wenige Labore, die auf analogem Fotopapier mit einer Bandbreite von180cm arbeiten. In Hamburg, wo ich lebe, kann ich meine Werke nicht produzieren lassen, dafür muss ich ins Rheinland oder nach Leipzig fahren. Das Fuji Crystal Archive, auf dem meine Motive geprintet werden, garantieren mir 30 Jahre Farbechtheit, deswegen habe ich mich dafür entschieden. Meine Architekturfotografien sind mittels Diasec-Verfahren unter mattem Acryl-Glas zusätzlich geschützt, nichts reflektiert, nichts lenkt ab, der Betrachter kann komplett in die Materialität und Beschaffenheit des Bildes eintauchen. Bei meinen allegorischen Portraits bevorzuge ich Flachglas, damit der Rezipient sich darin spiegelt und Bezug zur abgebildeten Person aufnimmt.

Bei vielen Ihrer Arbeiten vermutet man einen Verweis in die Kunstgeschichte.

Für meine Personendarstellungen, die allegorischen Porträts, habe ich immer nach einem nicht zeitgebundenen Typus gesucht, nach einer bestimmten Physiognomie wie man sie auch aus der Malereigeschichte kennt. Mir geht es aber nicht um einen eindeutigen Bezug zur Kunstgeschichte, vielmehr möchte ich meinen Arbeiten eine gewisse Zeitlosigkeit verleihen, größtmögliche Neutralität. Ich suche das Übergeordnete, die Essenz von Etwas, wodurch sich eine mehrdeutige Lesbarkeit ergibt, immer in Abhängigkeit, welche Erfahrungen der Betrachter selbst gemacht hat.

Sie arbeiten stark konzeptionell. Wie ist Ihre Herangehensweise?

Wie bereits erwähnt, geht es mir in meinen Architekturaufnahmen nicht um eine exakte dokumentarische Wiedergabe, sondern eher um die Aufzeichnung einer Atmosphäre, eines Empfindens. Mich interessieren die Momente, in denen die Eindeutigkeit des Abgebildeten und damit die Sicherheit kippt, wenn das Bewusstsein des Betrachters ins Schwanken gerät und die Lesbarkeit des Motivs changiert. Durch Ausschnitt, Perspektive oder Farbverschiebung widersetzen sich meine Arbeiten gesicherten Zuordnungen, ihnen ist das Umfeld, der Kontext entzogen. Oft sind das auch Gebäude, die sich in einer Art Zwischenstadium befinden, entweder noch nicht fertiggestellt oder schon wieder dem Verfall anheimgegeben, sie vagabundieren zwischen Richtfest und Ruine.

Seit ein Großteil der Bevölkerung Handys besitzt, wurde nahezu alles auf der Welt fotografiert und ist online verfügbar. Ich recherchiere ziemlich viel im Netz. Und wenn dann ein Motiv zu 100 Prozent passt, kann es schon vorkommen, dass ich wegen einer Aufnahme z.B. in den Libanon fliege, um ein Kongress-Gebäude, das Oscar Niemeyer wegen des Bürgerkrieges nicht mehr fertigstellen konnte, abzulichten. Ich weiß dann genau, wie ich es fotografieren werde, damit es in mein Oeuvre passt.

In der Brasserie Nitz hängen ganz andere Arbeiten von Ihnen.

Das sind kleinformatige Fotoinszenierungen, eine mehrteilige Stillleben-Serie mit Vasen.  Auch dabei geht es mir nicht um den Gegenstand an sich, sondern um die Anziehungskraft, das Gefühl, das dahintersteckt, ein Sinnbild für Reife, Fruchtbarkeit, Üppigkeit, oder auch um die christliche Konnotation „Wasser zu Wein“. Eine eindeutige Lesbarkeit der Motive gibt es nicht.

Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Ich habe hier in Nürnberg an der Akademie Malerei studiert, empfand mich aber selbst als nicht sonderlich begabten Maler. Ich habe dann angefangen halbe Schlaf- und Wohnzimmer vom Sperrmüll in mein Atelier zu schaffen, auseinander zu nehmen und neu zusammenzusetzen. Ich habe versucht, damit die Welt zu erklären, was die Kunstkritik auch ziemlich spannend fand. Diese raumbezogenen Installationen wollte anfänglich aber niemand kaufen. Erst als ich Teilstücke dieser Arrangements jungen Frauen in die Hand drückte und diese in der Art von Stifterfiguren an gotischen Domen überlebensgroß ablichtete, wollten Sammler wie Institutionen diese Fotografien haben. So ist das Dreidimensionale immer mehr in den Hintergrund getreten oder ganz weggebrochen.

Sie haben viele Jahre Fotografie als Professor an verschiedenen Hochschulen gelehrt.

Meine erste Professur, eine 2-semestrige Gastprofessur an der Kunsthochschule in Hamburg, war noch für „Skulptur- und Raumkonzepte“, erst später folgten Professuren für Fotografie, unter anderem an der renommierten Folkwang Schule in Essen. Dort habe ich im Rahmen meiner interdisziplinären Forschungsprojekte extrem viel über das Medium selbst gelernt.

In den letzten Jahren lehrte ich in Kassel „Experimentelle Fotografie“, wobei ich den Begriff nicht sonderlich mochte, weil jede gute Art von Fotografie für mich experimentell ist.

Was macht ein gutes Foto aus?

Sicherlich nicht nur eine handwerkliche Qualität. Auch eine teure Kameraausrüstung ist dafür nicht zwingend notwendig. Zwischenzeitlich kann jeder mit seinem iPhone ein technisch perfektes Bild herstellen. Auch spontan und intuitiv fotografierte Bilder machen nicht zwangsläufig ein gutes Foto aus.

Ich denke bei der täglich über uns hereinbrechenden Bilderflut werden künstlerische Konzeptionen immer wichtiger. Es geht darum, sich als Fotograf und Künstler ein übergeordnetes Ziel zu setzen, das die Basis für eine längerfristige Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema, einem Motiv oder einer Ästhetik bildet. Ein richtig gutes Foto begeistert so über den ersten Oberflächenreiz hinaus und legt bei genauerer Betrachtung und Auseinandersetzung tieferliegende Schichten frei.